Kascha Kolumna

Sport ist ihr Hobby

YogalehrerInnen und das liebe Geld

In einem Blogpost habe ich mal gelesen, Berlin sei die Yogahauptstadt. Für mich ist das nicht so. Klar, es gibt unzählige Yogastudios und ab und zu kommt auch mal ein bekannter Yogi nach Berlin, aber deshalb ist Berlin noch nicht besonders. 

Ich finde, dass Berlin die Hauptstadt der selbstständigen YogalehrerInnen ist. Es gibt so viele, die Räume mieten, per Schüler bezahlt werden, im Park unterrichten oder sogar bei sich Zuhause. Sowas habe ich tatsächlich noch in keiner anderen Stadt erlebt. In keiner anderen Stadt ist wahrscheinlich auch eine App, die Urban Sports Club heißt, so erfolgreich wie in Berlin. Nicht zuletzt, wegen dieser vielen YogalehrerInnen, die auf eigene Faust Klassen unterrichten und dafür TeilnehmerInnen brauchen. 

In meiner Heimatstadt macht kaum ein Yogastudio bei USC mit, und wenn, dann braucht man schon eine teure L oder XL Mitgliedschaft. Und ich feiere meine Heimatstadt dafür! Ich feiere eigentlich jedes Studio und jeden Anbieter, der nicht bei USC mitmacht, obwohl ich selbst Mitglied bin.

Bei USC wird man Mitglied eines virtuellen Sportclubs. Dazu hat man eine App, bezahlt monatlich einen Beitrag und darf dann je nach Mitgliedschaft begrenzt oder unbegrenzt zu den Angeboten der verschiedenen Partner gehen. Zum Beispiel kann ich acht Mal ins Schwimmbad, viermal ins Yogastudio A, viermal ins Yogastudio B, achtmal zum Kampfsport, in die Sauna, zum Klettern, zum Boxen oder in die Salzgrotte. Als L oder XL Mitglied kriegt man sogar noch monatlich eine Massage dazu. Das ganze ist noch nicht mal teuer und gerade hier in Berlin, wo viele Studios mit 10er Karten arbeiten und das ganz schön ins Geld geht, ist es super praktisch. Eigentlich alles super, wenn denn alle an diesem Konzept gewinnen würden. 

Ich habe in einem Studio unterrichtet, wo ich zwar keine Miete für den Raum zahlen musste, mir aber die Einnahmen mit der Besitzerin des Studios geteilt habe. Ein Drop-In kostet dort 18 Euro, eine 10er Karte 130 Euro und von USC kriege ich pro TeilnehmerIn mit M Mitgliedschaft 7 Euro. 

Richtig gelesen. 7 Euro. Für ein L oder XL Mitglied gibt es 8 Euro. 

Also mehr als 10 Euro weniger, als wenn die Leute ein Drop-In zahlen würden. Warum zur Hölle sollte man sich darauf einlassen?! Vielleicht ist das wieder so eine Berlin Krankheit, dass man wenig Geld verdienen muss. In anderen Städten wie Frankfurt oder München, nehmen die meisten Studios nur L und XL Leute an. Wahrscheinlich haben sie dann auch noch einen Deal ausgehandelt und kommen gut klar. Trotzdem haben wir uns gerade in Berlin, mit der Ausbreitung von USC keinen Gefallen getan. Das ist so wie mit Amazon, den Buchläden und den Einzelhändlern. Am Ende gewinnt nur Amazon oder hier eben USC.

Klar, niemand hat mich gezwungen meine Klasse über USC anzubieten. So wie die meisten anderen, bin ich sogar auf USC zugegangen und habe die Zusammenarbeit gewollt. Es ist in Berlin ja kaum noch möglich Kurse anzubieten, die nicht über USC laufen.

Die meisten Leute in Berlin haben eine M Mitgliedschaft, einige kriegen über ihren Job eine L Mitgliedschaft. Und wie gesagt, als Mitglied sind die Leistungen auch toll. Aber jedesmal, wenn ich Rechnungen schreibe, rege ich mich darüber auf, wie wenig Geld am Ende raus kommt, weil USC so wenig zahlt. Mein Kurs macht gerade Pause und ich weiß noch nicht, ob und wie ich weiterhin mit USC zusammen arbeiten möchte.

Was kriege ich von USC zusätzlich zu den 7 Euro? Sie schreiben meinen Kurs in den Kursplan in der App, jedes Mitglied kann sehen, dass ich den Kurs gebe und ich habe eine Profilseite, auf der ein Foto und eine Beschreibung von meinem Angebot ist. Es könnte sich also jemand die Anbieter in seiner Gegend angucken, mein Profil sehen und daraufhin zu meiner Klasse kommen. Jedenfalls, wenn mein Profil zwischen den mehreren hundert Anbietern aus irgendwelchen Gründen heraus sticht. USC sieht das als wertvolle Werbung. Aber wenn dich niemand kennt oder das Studio in dem du unterrichtest niemand kennt oder es keine große Reichweite hat, dann kommt trotzdem niemand.

Was gebe ich den TeilnehmerInnen? 

Ich bin vor dem Kurs da, mache das Check In, beantworte Fragen, gebe 75 Minuten eine sehr gute Yogaklasse mit Hands On Assists, ich habe China Gel und Lavendelcreme, mit denen ich die TeilnehmerInnen einschmiere. Im Anschluss bin ich noch für Fragen da, muss das Studio aufräumen und abschließen. Und dafür kriege ich pro Teilnehmer 7 Euro. Wenn also 10 Leute da sind und ich die Hälfte ans Studio abgeben muss, habe ich 35 Euro verdient. Dafür, dass ich über 2 Stunden beschäftigt bin, die Cremes kaufen muss und mir Mühe mit meiner Klasse gebe. Ist das angemessen? Ich finde nicht.

Jeder möchte in kleinen Klassen praktizieren und ich höre so oft Klagen über das fürchterlich volle Studio der Stadt, aber keiner möchte mehr Geld für Yoga bezahlen. So geht das eben nicht.

Meine YogaschülerInnen gehen aus der Klasse strahlend raus, manchmal sogar schwebend. Ich bin die ganze Zeit meiner Yogaklasse beschäftigt mit Ansagen, Hands On Assists geben und in der Endentspannung gebe ich eine kleine Nackenmassage. Einfach nur rum sitzen gibt es da nicht. Dazu haben sie das Glück in einem schönen Studio und in einer kleinen Gruppe zu praktizieren. Ich weiß von den meisten die Namen und wenn ihnen was weh tut, gebe ich ihnen Tips, was sie zuhause machen können, um keine Schmerzen mehr zu haben. Ganz schön viel Leistung für 7 Euro.

In einem Studio, in dem ich regelmäßig praktiziere, mache ich manchmal Witze darüber, was ich alles bekomme: Eine super Yogaklasse, einen leckeren Tee und ich kann auch noch duschen. Für mich ist das toll, für die Betreiber rechnet sich das gar nicht.

Vor ein paar Jahren war das noch nicht so populär mit USC, wie es gerade ist. Und ich merke immer stärker, dass die Leute nicht mehr bereit sind, für etwas extra zu bezahlen, was außerhalb ihrer USC Mitgliedschaft ist. Das ist gut für USC, aber schlecht für die Anbieter.Ich frage mich, wie es überhaupt soweit kommen konnte. Wie kamen denn alle diese Studios auf die Idee, dass es besonders klug wäre, mehr als 10 Euro weniger Einnahmen zu haben, nur damit man bei dieser App dabei ist?! Am Ende sind die Leute doch der App loyal und nicht dem Studio. 

Gerüchteweise organisiert USC sogar, dass von ihnen bezahlte Yogalehrer in Unternehmen gehen und dort Business Yoga unterrichten. Natürlich zu von ihnen vorgegebenen, niedrigen Preisen. Dabei sind es genau solche Jobs, mit denen selbstständige YogalehrerInnen Geld verdienen. Als nächstes bietet USC dann vielleicht auch noch USC Yogaretreats an und dann verdienen wir wirklich gar nichts mehr.

Als ich vor über sechs Jahren nach Berlin gekommen bin, war ich von den Modellen der hiesigen Yogastudios echt verwirrt. In Frankfurt war ich einfach Mitglied in einem Yogastudio. Da hatte ich alles, was ich wollte und war meistens 7 Tage die Woche da. Dazu war ich noch Mitglied in einem Discount Fitnessstudio und ab und zu bin ich schwimmen gegangen. Irgendwie konnte ich das alles finanzieren. Und das wichtigste: es war es mir wert!

In Berlin habe ich viele Studios kennen gelernt, in denen es nur Drop Ins, 10er Karten und Verträge für 4mal im Monat oder 8mal im Monat gab. Die Kurspläne waren sehr überschaubar und es gab einfach kein Studio, in das ich mehrmals in der Woche hätte gehen wollen. Also hätte ich mir in mehren Studios 10er Karten kaufen müssen. Bei einem Durchschnittspreis von 15 Euro pro Kurs, hätte ich bei nur einem Besuch pro Woche im Monat 60 Euro zahlen müssen. Bei mehreren Besuchen wäre ich locker über 100 Euro gewesen. Nur für Yoga!

Was das gemacht hat war, dass ich weniger Yoga gemacht habe. Und wenn ich den Lehrer nicht kannte, bin ich nicht hin gegangen. Denn das war es mir nicht wert. Oder wenn ich jemand neues ausprobiert habe und es hat mir nicht gefallen, bin ich eben nicht mehr hin gegangen. Die Studios hätten also einfach die Qualität ihres Yogaunterrichts und ihr Angebot verbessern können und schon wären vielleicht mehr Leute gekommen.

Mit USC ist es relativ egal ob die Qualität gut ist, man zahlt ja nichts. Da ist es dann bloß schade um die vertane Zeit.

Und jetzt ist es so, dass ich weiß, dass das Studio akzeptiert so schlecht bezahlt zu werden und trotzdem für 10er Karten noch den deutlich höheren Preis nimmt. Dann macht doch eure Drop Ins und 10er Karten günstiger. Es kann doch nicht sein, dass man über die 10er Karten Käufer das Geld rein holt, was über USC verloren geht. Oder man sagt nein zu USC und besteht auf seinem Preis. Qualität ist nicht umsonst! 

Ich bin ja nicht nur Yogalehrerin, ich bin auch noch Physiotherapeutin. Da klang das Angebot von USC darüber auch Massagen anbieten zu können, erstmal ganz gut. Aber wer schon zu wenig für Yoga bezahlt, der zahlt auch nichts für eine Massage.

In jedem schäbigen Thai Massage Studio zahlt man für eine halbe Stunde um die 30 Euro. In weniger schäbigen Physiopraxen und bei anderen Massageanbietern zahlt man mindestens soviel, eher etwas mehr. Das ist ein Euro pro Minute und drunter sollte wirklich niemand, der sowas macht, arbeiten. USC hat mir 18 Euro pro 30 Minuten Massage angeboten.

Wenn ich davon noch 10 Euro Raummiete zahlen muss, bleiben mir 8 Euro. 

Fair? Ich finde nicht.

Selbst ohne Abzug der Raummiete, dafür arbeite ich nicht, meine Hände sind mehr wert.

Es ist schon schlimm genug, dass Physiotherapeuten in Praxen und im Krankenhaus schlecht bezahlt werden und die Arbeitsbedingungen eine Katastrophe sind, aber sich auch noch bei selbstständiger Arbeit total unter Wert verkaufen zu sollen, das kann doch nicht sein. 

Seitdem ich als Physiotherapeutin zu den Geringverdienern gehöre, hat sich mein Verhältnis zu Preisen geändert. Ich zahle lieber mal mehr, wenn dafür die Angestellten besser bezahlt werden. Genau deshalb überlege ich, ob ich es überhaupt mit mir vereinbaren kann, Mitglied bei USC zu bleiben. Manchmal gehe ich in ein Studio, das nicht mit USC zusammen arbeitet und wirklich teuer ist. Dafür sind die Gruppen dort höchstens mit 8 Leuten besetzt. Luxus! Und ich hoffe eben, dass die Kursleiter dementsprechend gut bezahlt werden, wenn da acht Leute knapp 20 Euro pro Klasse zahlen. Aber mir ist es das wert, wenn die Klasse gut ist und ich dort Fortschritte mache. Blöd wird es nur, wenn die Vertretung keinen guten Unterricht macht und ich mich ärgere, so viel Geld für eine schlechte Klasse verschwendet zu haben. Das ist bei einem Besuch mit USC egal. Man bezahlt ja immer gleich viel, egal zu wie vielen Klassen man geht.

Wenn du also sowieso immer zur gleichen Lehrerin gehst und es dir da gefällt, dann kauf dir eine 10er Karte! Unterstütze deine Lehrerin, dein Studio und nicht die App!

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